An einem sonnigen Juni-Wochenende haben wir uns auf den Weg nach Wien gemacht. Ziel war ein ganz besonderer Arzt: Dr. Petros Kattou. Er veranstaltete eine medizinische Weiterbildung für etwa 40 Ärzte – und wir hatten das Glück, dass Henry eine private Sitzung außerhalb des Trubels bekommen konnte. Eine ruhige und sehr konzentrierte Atmosphäre, perfekt für ihn.
Die Anamnese verlief erstaunlich zügig. Für Dr. Kattou waren weder Virenbelastung noch Schwermetalle ausschlaggebend. Für ihn zählten allein die Diagnosen: Autismus und ADHS. Auf dieser Basis nahm er eine sehr genaue Beobachtung von Henry vor. Er lies ihn bestimmte Bewegungsabläufe ausführen, Zahlen und Buchstaben zeichnen sowie Formen wiedergeben. Das Ziel war klar: Die Funktionalität verschiedener Hirnareale zu erfassen.
Zu meiner Überraschung verlief die Kommunikation mit Henry auf Englisch – und es funktionierte! Die Assistentin sprach ihn durchgehend in dieser Sprache an, und er verstand jede Anweisung. Er antwortete sogar mehrfach korrekt mit einem klaren „Yes“. Das hat mich wirklich positiv überrascht, denn ich war mir bis dahin nicht sicher, ob er Englisch bereits versteht.
Die Einschätzung von Dr. Kattou war eine beruhigende: Henrys Gehirn sei vollkommen in Ordnung. Er würde ihn aktuell mit „ASD Level 1“ einstufen, also einem eher milden Verlauf von Autismus. Vor wenigen Jahren lagen wir noch klar bei Level 3. Das war für mich ein Moment großer Erleichterung.
Abgesehen von den zahlreichen Studien, Videos und Bildmaterialien, die mir gezeigt wurden, blieb mir besonders eine Erklärung zum Thema Autismus im Gedächtnis hängen: das sogenannte „Pruning“.
Was ist Pruning?
Alle Menschen werden mit einer Überzahl an Synapsen geboren. Diese feinen Verbindungen zwischen den Nervenzellen werden im Lauf der frühen Entwicklung ausgedünnt, ein Prozess namens Pruning (auf Deutsch: Synapsen-Auslese oder -Beschneidung). Dabei bleiben die stärksten und am häufigsten genutzten Verbindungen bestehen, während selten verwendete gekappt werden. Ziel dieses Mechanismus ist es, die neuronalen Netzwerke effizienter zu machen und zu spezialisieren.
Bei autistischen Kindern scheint genau dieser Prozess nicht optimal zu funktionieren. Studien zeigen, dass viele autistische Kinder eine erhöhte Synapsendichte aufweisen. Das heißt: Ihr Gehirn hat mehr Verbindungen als das eines neurotypischen Kindes. Diese „Reiz-Mehrspurigkeit“ kann dazu führen, dass Informationen nicht effizient verarbeitet werden und das Gehirn anfälliger für Reizüberflutung ist.
Diese biologische Perspektive auf Autismus war für mich unglaublich hilfreich. Sie geht über die reine Genetik hinaus und liefert eine konkrete Erklärung dafür, warum viele autistische Kinder so reagieren, wie sie es tun. Es war faszinierend, Henrys Entwicklung nicht nur durch die Beobachtung seiner Fortschritte, sondern auch durch solche medizinisch fundierten Mechanismen besser zu verstehen.
Wie kann man das Pruning unterstützen?
Uns wurden zwei nicht-invasive Hirnstimulationstherapien empfohlen: tDCS (transkranielle Gleichstromstimulation) und TPS (transkranielle Pulsstimulation). Beide arbeiten mit ähnlichen Wirkprinzipien. Nach einer entsprechenden Einschulung kann tDCS sogar zu Hause mit einem passenden Gerät angewendet werden. TPS hingegen wird ausschließlich unter Aufsicht eines Facharztes durchgeführt.
Ich recherchiere aktuell intensiv zu diesen beiden Verfahren, da mich die zugrundeliegenden Mechanismen sehr interessieren. Allerdings haben mich die Kosten ziemlich überrascht – hier geht es nicht um ein paar hundert Euro, sondern um eine deutlich höhere Investition.
Außerdem steht für uns noch eine dritte Therapieform im Raum: rTMS (repetitive transkranielle Magnetstimulation), speziell in der Variante MeRT (Magnetic e-Resonance Therapy). Auch sie ist nicht-invasiv und nutzt gezielte Magnetimpulse zur Modulation der Hirnaktivität.
Alle drei Therapieformen finde ich ausgesprochen vielversprechend. Doch bevor ich eine Entscheidung treffe, werde ich mir konkrete Angebote einholen und dann sorgfältig abwägen, was für Henry am sinnvollsten ist. Die wissenschaftliche Studienlage dazu ist jedenfalls eindeutig: In bis zu 30 % der Fälle kann es zu deutlichen Verbesserungen kommen.


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